Münster
Straßenfotografie und mehr
„Ich sehe was, was du nicht siehst …“. Hinter dieser Redewendung, mit der der Fotokünstler Markus Wiesmann seine Ausstellung in der F24 betitelt, steckt mehr als ein Kinderspiel. „Ich sehe was, was du nicht siehst …“ findet sich auch in der Kinderpsychotherapie als einfache Übung, um Achtsamkeit zu wecken.
Jeder Augenblick ist flüchtig, jede Situation unwiederholbar. Jetzt, genau jetzt, ist der Moment, den Auslöser zu drücken. Den richtigen Zeitpunkt abzupassen, ja vorauszusehen, darauf kommt es an in der Straßenfotografie. Markus Wiesmann besitzt diese Achtsamkeit für das „Jetzt!“.
Gute Straßenfotografien sind keine Schnappschüsse, sie gleichen Reportagen über das Leben im öffentlichen Raum. Markus Wiesmann zeigt uns die vielen Gesichter dieses Lebens ohne Make-up.
Die Menschen auf seinen Bildern posieren nicht fürs Foto. Sie bleiben anonyme, unbeteiligte Figuren. Markus Wiesmann stellt niemanden bloß, er zeigt Menschen in ihrem Alltag, bei der Arbeit, beim Feiern, im Gespräch, im Sitzen, Gehen und Stehen, immer mit Respekt vor und in Achtsamkeit für deren Privatsphäre.
Seine Bilder erzählen Geschichten, oder vielmehr, sie bringen den Betrachter dazu, sich Geschichten auszumalen:
Die beiden Fettwänste in New York, die sich vor einem schmiedeeisernen Gartenzaun vis à vis gegenüberstehen, sind das Best Buddies, die freundlich miteinander plaudern, oder vielleicht doch ein Redneck und ein African-American, die sich gegenseitig beargwöhnen?
Fünf Menschen im Londoner Regen, alle in durchsichtige Wegwerf-Regenponchos gehüllt, die Erwachsenen schleppen prallgefüllte Plastikbeutel mit sich. – Eine vom Wolkenbruch überraschte Familie beim Einkaufsbummel? Die Gesichter wirken mürrisch, nur die Kleinste lächelt. – Hat es Zoff gegeben oder liegt‘s einfach nur am Sauwetter?
Markus Wiesmann lebt in Münster, ist 55 Jahre alt und von Beruf Einzelhandelskaufmann. Mit Fotografie beschäftigt er sich seit seiner Kindheit. Während seiner Ausbildung zum Gestalter im Handwerk hielt er zum ersten Mal eine Bridgekamera in den Händen. Seither fotografiert er, wo er geht und steht.
Straßenfotografie ist beileibe nicht sein einziges Sujet. Er fotografiert praktisch alles, was ihm vor die Linse kommt, in Schwarz-Weiß und in Farbe.
Ob er nun Zebras hinter einem Vorhang stiebenden Nieselregens oder mit weißem Licht überzuckerte Parkbäume, eine sich öffnende Blumenknospe oder eine vor der futuristischen Fassade eines Londoner Hochhauses schwebende Möwe ablichtet oder ob er einfach nur durch die Bogengänge an Münsters Prinzipalmarkt „schießt“, immer zeugen seine Bilder von großem Einfühlungsvermögen in die Situation, den Ort, den Augenblick.
Was der Unachtsame nicht sieht; Markus Wiesmann holt es ins Licht.
Der Kulturverein der F24 freut sich auf die Ausstellung von Markus Wiesmann.
Vernissage: Sonntag, 27. November 2022, ab 14:00 Uhr in der KulturKneipe F24, Frauenstraße 24, 48143 Münster
Herzlich willkommen. Eintritt frei.