Münster

„Begegnungen sind für uns mehr als nur zufällige Zusammentreffen – sie sind kleine Wendepunkte, die etwas verändern, sichtbar machen, zum Innehalten zwingen oder in Erinnerung bleiben“, schreiben „Die Auslöserinnen“ in ihrem Pressetext zu ihrer aktuellen Ausstellung mit dem Titel „Begegnungen“.
„Die Auslöserinnen“, das sind Karola Gerschmann, Heike Callies, Mechthild Ribhegge, Gisela Quast, Katja Reifenscheid und Sonja Weimar; sechs Frauen, die nicht nur die Leidenschaft für das Fotografieren verbindet, sondern auch die Neugier auf Geschichten, die sich durch Bilder erzählen lassen. „Die Auslöserinnen“ haben sich 2012 zusammengefunden. Damals gehörten sie noch zu „Livas e.V.“ (Livas = „Lesben im Verein am schönsten“). Seit 2018 ist die „Fotogruppe nur für Frauen“ eigenständig. In der F24 stellen „Die Auslöserinnen“ bereits zum siebten Mal ihre Werke aus.
„Unsere Fotografien zeigen unterschiedliche Formen dieser Begegnungen: spontan, still, intensiv, bunt oder flüchtig. Durch unsere individuellen Perspektiven entsteht eine Sammlung von Bildern, die unterschiedlicher kaum sein können.“
Karola Gerschmann betreibt Lightpainting. Für ihre malerische Fotografie wendet sie die sog. ICM-Technik an. ICM steht für Intentional Camera Movement, das absichtsvolle Bewegen der Kamera. Ihre Fotos erscheinen dadurch wie abstrakte Gemälde: Mal sind es zwei Lichtbänder, eines in Hellblau, das andere in dunklem Rotbraun, die sich in inniger Umarmung, wer weiß, vielleicht auch im Kampf, zu umschlingen trachten, mal ein durchsichtiger rostbrauner Würfel, der von grellgrünen Lichtfäden um- und durchflutet wird, mal eine wie mit Röntgenstrahlen in Weißblau durchleuchtete Gestalt, die auf ihren dunkeldrohenden Schattenriss an einer grünlich schimmernden transparenten Fläche blickt. Karola Gerschmanns „Begegnungen“ lassen den Betrachtenden viel Spielraum in der Interpretation.
Heike Callies lässt es ruhig angehen: „Bis das Ganze gefällt, kann auch schon mal eine gute Zeit vergehen“, schreibt sie in ihrer Selbstdarstellung. Sie fotografiert alles, „was gerade mein Interesse weckt“. Oft macht sie Makro-Aufnahmen oder Stillleben: „Getroffen im Sand“ etwa, der Abdruck einer Stiefelsohle in grauem Strandsand, der von den Trippelspuren eines Vogels gekreuzt wird. Oder „Genießer Runde“: die Nahaufnahme von fünf Schmetterlingen, die sich zum gemeinsamen Schlemmermahl eingefunden haben an einer braun angelaufenen Banane, die an einer Schnur vom Zweig baumelt. Heike Callies „Begegnungen“ öffnen die Augen fürs Kleine, leicht Übersehene.
Mechthild Ribhegge zeigt in ihren Bildern, dass Begegnungen meist zufällig, flüchtig, ephemer sind: So, genau so werden Menschen, Tiere, Orte, Situationen oder Licht nicht noch einmal aufeinandertreffen. Begegnungen gehören dem Augenblick. Und genau in diesem Augenblick drückt Mechthild Ribhegge auf den Auslöser: Zwei gigantisch wirkende Schwäne beim Strandspaziergang, im Hintergrund bis zu den Knien im Wasser drei Menschlein, die, sich gegenseitig weder ansehend noch beachtend, auseinanderwaten. Den Auftritt eines Chors mit Klavierbegleitung hat Mechthild Ribhegge aus ungewöhnlicher Froschperspektive aufgenommen: Der Schuss geht von hinten durch den Klavierhocker über die Füße des Pianisten hinweg, unterm Flügel hindurch auf die Bühne zu den im Halbkreis stehenden nur bis zur Gürtelhöhe zu sehenden SängerInnen. Mechthild Ribhegges „Begegnungen“ zeigen uns Mensch, Tier und Welt aus unerwartetem Blickwinkel, mal zum Nachsinnen, mal zum Schmunzeln anregend.
Gisela Quast macht ihre Fotos vorwiegend mit dem Smartphone. „Motive finden sich für mich überall“, … „alltägliche Situationen, in denen Menschen einen Vordergrund bilden, Architektur, Symmetrie, Linien, Farben, Fahrräder.“ Spiegelungen, Dopplungen, Überlagerungen finden sich in ihren Arbeiten zur aktuellen Ausstellung. Wer begegnet hier eigentlich wem? In den Fotos „Eine besondere Begegnung 1 und 2“, überlagern sich das Spiegelbild des Spiegelbildes eines wie ein Riese wirkenden Mannes von hinten in dunklem langem Mantel und das einfache Spiegelbild einer vermeintlich winzigen Frau im leuchtend roten Regelmantel; Gespenstern gleich, mehr zu ahnen, als zu sehen, zeichnen sich die Schemen weiterer Personen ab. Sie haben alle nichts miteinander zu tun und begegnen sich doch in dieser Fensterscheibe. Gisela Quasts „Begegnungen“ sind eben besonders.
Katja Reifenscheid schreibt auf die Frage nach ihren Lieblingsmotiven auf der Website der Auslöserinnen: „Eigentlich alles, was mir vor die Linse kommt.“ Wie und in welchem Zusammenhang es zu der Begegnung mit dem „Miniaturmännchen“ auf dem so betitelten Foto gekommen ist, möchte man aber schon wissen. Das „Miniaturmännchen“ steht im Biohazard-Vollschutzanzug hinter einer Fotokamera, die auf einem Stativ befestigt ist. Zählt dieses Zusammentreffen schon zu dem, was Steven Spielberg mit „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ gemeint hat?
Katja Reifenscheids Foto „Spatzenfrühstück“ zeigt einen Piepmatz mit einem Brötchenbrocken, während ihm ein anderer beim Fressen zusieht. Aus Futterneid oder in der Erwartung, etwas abzubekommen? Gibt es einen Zweikampf ums tägliche Brot oder machen sie halbe-halbe? Wie mag diese Geschichte weitergehen? Katja Reifenscheids „Begegnungen“ machen neugierig.
Sonja Weimar nennt Architektur, Natur, Landschaften, organische Formen und Strukturen als ihre Lieblingsmotive. Für die aktuelle Ausstellung präsentiert sie Begegnungen in und mit der Natur. Zwei Pelikane im Streitgespräch etwa; das Foto trägt den ins Auge springenden Titel: „Begegnung der Flügelklasse – Wer hat das letzte Wort“?. „Begegnung am Gleis – Ziel unbekannt“ zeigt nicht die Begegnung selbst, sondern lediglich deren Schattenbild: drei Menschen auf einer Brücke, deren Silhouetten auf den Boden neben einem stillgelegten Schienenstrang fallen, der hinter einer Kurve im Nirgendwo des Waldes verschwindet. Ein Bild, das anregt zu bedeutungsschwangerem Grübeln, welches sich irgendwo zwischen Platons Höhlengleichnis, Pindars „Eines Schattens Traum ist der Mensch“ und Lanoos (formerly known as Christian Anders) „Es fährt (k)ein Zug nach nirgendwo“ bewegen dürfte.
Sonja Weimars „Begegnungen“ sind ebenso humorvoll wie philosophisch.
„Wir möchten mit diesem Projekt dazu anregen, Begegnungen bewusster wahrzunehmen, kurz innezuhalten, die Augenblicke genießen, die uns vielleicht prägen und die Welt um uns herum lebendig machen.“ – Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, außer dies:
Der Kulturverein der F24 freut sich auf die „Begegnungen“ mit den Auslöserinnen.
Vernissage: Sonntag, 09. November 2025, 16:00 bis 18:00 Uhr
in der KulturKneipe F24, Frauenstraße 24, 48143 Münster
Herzlich willkommen. Eintritt frei.
Mehr Informationen zu den Auslöserinnen gibt es hier:
https://www.ausloeserinnen.de/





